Stiefkind Onboarding

Das Einstellen eines neuen Mitarbeiters ist eine teure Wette auf die Zukunft. Ob, wann und wie gut er Leistung bringt ist unsicher. Allzu große Fehleinschätzungen können zwar per Kündigung in der Probezeit korrigiert werden, aber bereits dies ist teuer, denn Suchkosten und Einarbeitungskosten sind trotzdem angefallen. Dazu kommen eventuelle Probleme, die durch den unpassenden Mitarbeiter entstanden. Und die Opportunitätskosten, einen besser geeigneten Mitarbeiter für längere Zeit nicht gehabt zu haben.

Die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges ließe sich deutlich erhöhen, investierten Arbeitgeber mehr Liebesmüh und Ressourcen in die Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Diese erschöpft sich leider zu oft noch im wesentlichen darin, dem „Neuen“ seinen Arbeitsplatz, seine Kollegen, seine IT-Passwörter und seine Aufgabenliste zu zeigen. Vielleicht kommt noch die kurze Vorstellung in der ersten Teamrunde und sogar das Hinzustellen eines Mentors hinzu. Letzteres ist zwar eine unzweifelhaft gute Idee, doch wenn dieser keine entsprechenden Handreichungen, Zeitkontingente und Vorgaben hat, wird der tatsächliche Nutzen gering bleiben.

So wenig, wie ein paar Schwalben einen Sommer machen stellen unkonzertierte Einzelmaßnahmen ein effektives Onboarding dar. Dieses ist vielmehr eine betriebliche Sozialisation, verbunden mit der Einarbeitung neuer Mitarbeiter in deren Rolle und Aufgabenfeld das vertraut macht mit den betrieblichen Zielen, Werten, Regeln, formellen wie informellen Strukturen, ferner den Prozessen und die soziale Integration in die Unternehmensorganisation und -kultur. Der neue Mitarbeiter soll so schnell wie möglich Teil des Teams werden, ein hohes Commitment erreichen und leistungsorientiert zugleich Innovationen anstoßen und sich in das bestehende soziale System integrieren.

Aus dieser umfassenden, anspruchsvollen Definition wird deutlich, dass das Onboarding neuer Mitarbeiter idealerweise lange vor dessen ersten Arbeitstag beginnt. Schon die Auswahl von Mitarbeitern sollte noch stärker nicht nur auf harte Faktoren wie formale Qualifikation, sondern auf Verträglichkeit, Team- oder auch Führungsfähigkeit, Empathie und soziale Kompetenzen geachtet werden. Da in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern meist recht lange Zeit zwischen Einstellungsentscheidung und erstem Arbeitstag vergeht, kann diese Phase deutlich intensiver als bisher für das Onboarding genutzt werden, etwa durch Unternehmensbesuche, Einbindung in bereits stattfindende Teamevents, Ausgeben von Handbüchern zum Vertrautmachen mit der formalen Organisation des Unternehmens, Aufgaben und Prozessen und eventuell sogar Probearbeitstage. Facebook etwa läßt Kandidaten ganze sechs Woche testweise arbeiten, anschließend entscheidet dann das aufnehmende Team (sic! nicht allein die HR oder das Management) über Bleiben oder Gehen.

Gerade wer teures Geld für das Finden neuer Mitarbeiter investiert, sollte deshalb bei dem professionellen Onboarding nicht geizen. Dieses umfasst die vier Phasen Preboarding, Orientierung, Integration und Stabilität. Die Grundbausteine eines Onboarding-Programms sind dabei erstens die Kenntnis der geschriebenen und möglichst auch der ungeschriebenen Regeln des Unternehmens (Compliance), zweitens die Vertrautheit mit dem Aufgabenbereich und den gesteckten Erwartungen, drittens die Einführung in das soziale System des Unternehmens und viertens Unterstützung beim Aufbau persönlicher Beziehungen in der Organisation. Die Dauer des eigentlichen Onboarding-Prozesses beginnt damit mit der Entscheidung für einen Kandidaten und endet mit stabilen Erreichen der erwarteten Leistung.