Der Druck der Digitalisierung

Deutschland diskutiert derzeit über alles Mögliche, aber vor den drängenden Themen duckt es sich gern weg. Der steigende Wettbewerbsdruck der Digitalisierung gerade auf qualifizierte Arbeitsstellen ist eines davon.

Politik und Teile der Wirtschaft beschwichtigen hier deutlich. Es heißt, die bisherigen industriellen Revolutionen hätten zwar ebenfalls große Befürchtungen ausgelöst, aber am Ende gab es mehr Arbeit und Wohlstand. Dies werde diesmal nicht anders sein.

Doch es wird vergessen, dass bei den bisherigen industriellen Fortschrittsschüben nur die menschliche Muskelkraft ersetzt haben, nun aber die menschliche Intelligenz durch Maschinen ersetzt wird.

Beispiel Finanzwirtschaft: Allein in der Bank- und Versicherungsbranche sind bereits tausende Arbeitsplätze abgebaut worden. Ersatzlos, wohlgemerkt. Aktuelles Beispiel ist die schwedische  Nordea Bank. Sie streicht 6000 Stellen und ersetzt sie durch ein neues Softwaresystem basierend auf Künstlicher Intelligenz. Der Vorstand der Nordea rechnet damit, dass im Banksektor in den nächsten zehn Jahren so die Hälfte der Arbeitsplätze an Artificial Intelligence, Big Data, Machine Learning, Industrie 4.0, Robo Advisor & Co verloren gehen.

Der einfache Landarbeiter, der vor 100 Jahren bei FORD arbeitete, konnte vielleicht kaum Lesen und Schreiben. Als er seinen Job durch die Automatisierung der Produktion verlor, hatte er noch Luft nach oben, um eine neue, anspruchsvolleren und vermutlich sogar attraktivere Anstellung zu finden. Doch, in welche Jobs will der hochqualifizierte Banker wechseln, oder aufsteigen?

Wer eine Tätigkeit ausübt, die direkt auf Kompetenzen basiert, die Computer, Algorithmen und Künstliche Intelligenz schon heute/bald schneller, besser und günstiger beherrschen, der müsste ein Übermensch sein, um nachziehen zu können.

Lamentieren hilft da nichts. Es müssen Lösungen für die Schattenseiten der Digitalisierung her. Je früher, desto größer sind die Spielräume. Wer dies ignoriert, verliert wertvolle Zeit und Ressourcen.

Staatlicherseits wären großangelegte und zugleich intelligent gezielte Weiterbildungsprogramme sicher ein gutes Element. Doch bitte nicht durch das Arbeitsamt, sondern durch eine klug aufgesetzte Marktlösung organisiert.

Finanziert werden könnte dies durch eine Steuer auf Maschinen und Künstliche Intelligenz. Und auch um ein Konstrukt wie das bedingungslose Grundeinkommen werden wir wohl kaum herumkommen.

Doch wenngleich hier der Staat als erstes genannt wird, in erster Linie in der Verantwortung steht das Individuum. Niemand darf mehr davon ausgehen, mit dem Beruf in Rente gehen zu können, mit dem man das Berufsleben gestartet hat. Jedem sollte klar sein, dass die am besten fahren, die eine ehrliche Analyse ihrer Kompetenzen und Rahmenbedingungen durchführen, die eine Strategie für ihre Arbeitskraft entwickeln und die bereit sind, sich schnell und flexibel auf Veränderungen auszurichten. Karriereplanung ist nichts mehr, dass man einmal macht und dann nie wieder, sondern es ist eine agile Daueraufgabe.

Sie müssen den Mann ja nicht mögen, aber: Was wäre wohl aus Marc Zuckerberg geworden, hätte er sein Harvard-Studium in Psychologie und Informatik erst einmal sicherheitshalber abgeschlossen und sich nicht auf das wahnwitzige Wagnis eingelassen, mit einem Absolventennetzwerk im Internet eine große Nummer werden zu wollen?

Der Facebook-Gründer hat es vorgemacht: wer auf dem einen Feld nichts (mehr) gewinnen kann, soll auf ein fruchtbareres wechseln.