Herausforderung Digitalisierung für Industrie und Management

Industrie 4.0, Digitalisierung, das Internet der Dinge, Machine2Machine-Kommunikation, Künstliche Intelligenz, 3D-Druck, Deep Learning – allesamt Begriffe, die eine Zeitenwende bedeuten. Unternehmen werden zukünftig mit beispielloser Effektivität und Effizienz arbeiten, produzieren und steuern können. Doch könnten zugleich Arbeitsplätze in einer Zahl und Qualität vernichtet werden, die durch keinen Produktivitätsfortschritt zu kompensieren sind.

Allerdings – Prognosen sind stets unsicher. Doch die beginnende vierte industrielle Revolution, unterscheidet sich von ihren Vorgängerinnen dadurch, dass nun erstmals nicht nur die physische Arbeitskraft des Menschen ersetzt – und übertroffen – wird, sondern auch seine geistige Leistung. Nicht nur ungelernten Kräfte und Facharbeiter droht damit die Ersetzbarkeit, sondern auch Akademikern. In der Medizin diagnostizieren Roboter bestimmte Erkrankungen erheblich präziser und schneller als der Arzt, in der IT übernehmen intelligente Programme Administration von Betriebssystemen und Datenbanken, Software-Testing und schreiben bereits Codes, Robo-Berater sind besser – und mutmaßlich ethischer – als Banker, ja, selbst Kollege Anwalt erhält Konkurrenz durch den Rechtsroboter Ross, der aus Rechtsnormen und Präzedenzfällen Argumentationslinien erarbeitet.

Und dies ist bereits Stand des Jahres 2016. Während wir Menschen allerdings nur langsam – wenn überhaupt – dazu lernen, entwickelt die Computertechnik nahezu exponentiell neue Fähigkeiten. Das wird weit mehr Konsequenzen haben als in diesem Beitrag auch nur angerissen werden kann. All jene, deren Tätigkeit großteils aus Routinen besteht, die damit standardisierbar und automatisierbar sind, sollten sich schleunigst gezielt weiterbilden. Die besten Chancen, auch noch in Zukunft gebraucht zu werden, sind bestimmte personennahe Dienstleistungen und alle Aufgaben, die Kreativität, Innovationskraft und die Fähigkeit zur komplexen Entscheidung benötigen.

Verschiedene wissenschaftliche Studien gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren bis zu 1/4 der akademischen Berufe und bis zu 4/5 der Geringqualifizierten in den Industrieländern digital ersetzbar werden. In den Schwellenländern liegen die Werte sogar noch schlechter.

Unternehmen werden ihre Organisation und ihre Führungskultur angesichts der neuen Herausforderung anpassen müssen. Gefragt sind agile Prozesse und unternehmerisches Denken aller Mitarbeiter, die dafür entsprechende Freiheiten und Rechte erhalten müssen. Die Unternehmen werden kontinuierlich in IT und in die Qualifikation ihrer Mitarbeiter zu investieren haben. Dabei darf sich jeder Einzelne nicht auf betriebliche Vorgaben verlassen, abwarten und Tee trinken. Sondern auch wir Individuen werden uns selbst – immer wieder neu – positionieren müssen. Da technische Tätigkeiten zunehmend von Kollege Computer übernommen werden, sollten wir Menschen die folgenden 10 Stärken entwickeln:

  1. Analysieren und Entscheiden bei Komplexität
  2. Soziale Kompetenz
  3. Interkulturelle Kompetenz
  4. Teamfähigkeit
  5. Fähigkeit zur Teamarbeit und zum Führen auf Distanz
  6. Interdisziplinäres Know how
  7. IT-Schnittstellenkompetenz
  8. Kritisches Denken
  9. Medienkompetenz
  10. Kreativität, unternehmerisches Denken, Innovation

Die digitale Leadership bedeutet zugleich auch einen Paradigmenwechsel für die Führungskräfte. In Zukunft werden sie noch sehr viel mehr mit hochqualifizierten Spezialisten, Intrapreneuren und Freelancern zu tun haben als schon heute. Und es wird teils auf noch ganz andere Kompetenzen ankommen als jetzt. Hierarchie- und Statusdenken jedenfalls sind passé. Best practices gibt es bereits. Eine ziemliche gute Vorstellung, welche Führungsskills die Manager im digitalen Zeitalter beherrschen müssen, vermitteln die acht Regeln, die Google für sein Führungsteam in einer internen Studie ermittelt hat:

  1. Sei ein guter Coach.
  2. Anstatt Micromanagement: Empowerment.
  3. Interessiere Dich für Deine Leute.
  4. Scheue keine Entscheidungen.
  5. Sei ein guter Kommunikator – und höre zu.
  6. Helfe Deinen Leuten voranzukommen.
  7. Entwickle eine klare Vision und Strategie für Dein Team.
  8. Sei Fachmann genug, um Ratschläge und Richtung geben zu können.

In aller Kürze: Industrie 4.0 erfordert Management 4.0. Wir leben so in interessanten Zeiten. Viele werden auch Ängste spüren. Doch die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Schauen wir also auf die Chancen. Die Digitalisierung bietet Lösungsansätze, die noch viel drängenderen Probleme unserer Zeit – so etwa Klimawandel, Demographie, Rohstoffabhängigkeit, tödliche Krankheiten – zu bewältigen. Doch diese Potentiale werden wir mit unserer alten Industriearbeitermentalität, mit Renationalisierung und Abschottung nicht zu heben sein. Was wir auch brauchen ist eine Art Mensch 2.0 – heraus aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“, hin zu dem aufgeklärten, freien, kreativen, mutigen und unternehmerisch denkenden Wesen, das wir sein können. Wenn wir es nur wollen.