Digitalisierung und der War for Talent

Der Begriff des „War for Talent“ wurde vor fast 20 Jahren geprägt, inzwischen inflationär gebraucht und steht doch erst am Anfang seiner Bedeutung. Das hängt mit dem zweiten Buzz-Word, der Digitalisierung, zusammen. Durch die digitale Wirtschaft und Industrie sind bereits einige Branchen massiven Umwälzungen unterworfen. Die Banken stehen vielleicht gerade am Anfang der Disruption ihres Geschäftsmodells. Und der ohnehin schon hohe Automatisierungsgrad wird durch intelligente (Selbst)Steuerung der Produktion – Stichwort Industrie 4.0 – noch weiter auf die Spitze getrieben werden.

Das hat mannigfaltige Auswirkungen auf die Strategien der alten und der „regelbrechenden“, neuen Unternehmen, auf die Gesellschaft und auch auf politische Kräfteverhältnisse. Freilich wäre das für einen Blog der ultimative Overstretch, deshalb folgt „nur“ ein Ausblick auf den Arbeitsmarkt.

Es wird einen Kampf vor allem um die Talente geben, die in den MINT-Kompetenzen stark sind, die hohe IT-Kompetenzen haben und auch die, die sich auf das Management von komplexen Systemen verstehen, sei es in der IT, Logistik, Supply Chain oder in der High-Tech-Produktion. Hinzu kommen die Kreativen und lateralen Denker, deren geistige Kraft (noch?) nicht von Hochleistungsrechnern repliziert werden kann. Dieser Wettbewerb wird nicht mehr an nationalen Grenzen halt machen, sondern global sein. Spannende Aussichten für diejenigen, die zu dieser Kompetenzelite gehören.

Einen allgemeinen Fachkräftemangel wird es jedoch nicht geben, vielmehr ist zu erwarten, dass die Schere zwischen hohen und niedrigen Einkommen noch weiter auseinander gehen wird, und zwar erheblich. Im Übrigen auch die zwischen Arm und Reich. Denn die Unternehmen werden ja immer innovativer und produktiver, können aber auf alle Mitarbeiter verzichten, deren Tätigkeit standardisier- oder programmierbar ist. Die Hochpolitik weiß das, hält in der öffentlichen Diskussion jedoch an dem Argument fest, auch die industrielle Revolution habe mehr Jobs in Fabriken geschaffen als im Handwerk und auf den Feldern verloren gingen.

Was heute schon möglich wäre, soll das einfache Beispiel der Müllabfuhr verdeutlichen. Unsere Mülltonnen, schon mit RFID-Chip versehen, könnten von vollautomatischen Müllwagen mit Seitlader ohne Besatzung fahren. Den Müllmann braucht es nicht mehr. Oder, mit den klaren Worten vom Personalchef der Deutschen Telekom, Christian Illek: „Wir brauchen weniger Mitarbeiter“ – als Folge der Digitalisierung (Handelsblatt vom 11.02.2016, S. 22-23).

Was bedeutet das für Unternehmen und den Einzelnen?

Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Märkte noch schneller, wechselhafter und anspruchsvoller werden. Dass wir uns weder auf den Erfolgen und Kompetenzen von gestern noch von heute ausruhen dürfen. Dass Unternehmen – so wie wir Individuen – in der Pflicht stehen, strategisch zu denken und unsere Fähigkeiten entsprechend zielgerichtet fortzuentwickeln. Also, um es mit dem alten Lenin zu sagen: „Lernen, lernen und nochmals lernen.“